Und wie bekommen wir die Cessna aus dem Hangar? Motor anlassen und rausfahren? Natürlich nicht, denn dadurch bekäme man Wind – oder eher Sturm – in der Halle und würde alles im wahrsten Sinne des Wortes durcheinander pusten. Es gibt stattdessen eine Zugvorrichtung, die an dem Bugrad befestigt ist. Daran zieht man kräftig und das Flugzeug rollt begeistert aus dem Hangar. Es ist in etwa so, wie wenn man ein Pferd führt, mit dem wesentlichen Unterschied, dass das Pferd einem folgt und einfach anhält, wenn man ihm das Gesicht zuwendet. Das tut ein Flugzeug leider nicht.
Zu spät merke ich, dass man das Bugrad selber drehen muss und kann nicht verhindern, dass die Alpha India auf eine Grasfläche rollt und anfängt, friedlich zu grasen. Ein wenig mühsam bugsieren wir die Cessna zurück auf den Asphalt.
Ich muss dringend mehr trainieren, so ein Flugzeug ist nicht gerade leicht. Sind wir fertig? Nein, noch nicht. Mein Lehrer hat entdeckt, dass die linke Tankklappe offen ist, so können wir nicht fliegen.
Was braucht man, um eine sich auf der oberen Tragflächenseite befindliche Tankklappe zu schließen? Genau: eine Leiter. Sonst käme ich nämlich nicht dran. Ich hole von der Tankstelle eine Leiter und klettere hinauf. Mr. B fragt, ob noch genug Sprit im Tank sei. Ich blicke in die Öffnung, sehe aber nur ein dunkles Loch. Wie soll ich da beurteilen, ob der Tank wirklich voll ist?
„Hmm, keine Ahnung, da ist etwas Flüssigkeit drinnen“, sage ich.
Der Fluglehrer klettert selbst hinauf und befindet den Tank für voll. Ein Blick in den Tank gehört übrigens zum normalen Vorflugcheck. Zwar gibt es eine Tankanzeige im Cockpit, aber wer weiß, ob die auch richtig funktioniert? Ich bringe die Leiter wieder zurück. Jetzt geht es tatsächlich endlich los. Ich klettere wieder in die Cessna, minimal eleganter als beim ersten Versuch.
Anlassen will gelernt sein
Nun geht’s ans Anschnallen. Es gibt einen Beckengurt, der genauso funktioniert wie der Gurt in einem Airbus. Dann gibt es wie im Auto einen zusätzlichen Schultergurt, aber leider ist es kein Automatikgurt. Es ist ein unabhängiger Gurt, den man über die Schulter führen und irgendwo einstecken soll. Aber wo? An das andere Gurtschloss? Nein, das kann nicht sein, das ist doch für den Gurt des Copiloten bestimmt. Mr. B. drückt mir unterdessen mein Headset in die Hand. Ich suche die beiden dafür vorgesehenen Steckdosen unterhalb des Holzimitats, aber mit dem Gurt um den Bauch kann ich mich nicht wirklich bewegen. Ich muss mich wieder losschnallen und finde die Biester nach einiger Zeit. Ich schnall mich wieder an und finde nebenbei heraus, dass ich den Schultergurt an der Schnalle meines Beckengurts befestigen muss.
Die Stöpsel von Headset habe ich – wie soll es auch anders sein – falsch herum eingesteckt. Mr. B. kriecht von der anderen Seite ins Cockpit, wühlt unterm Armaturenbrett herum und schaltet die Avionik ein. Endlich sind die Anschlüsse richtig verkabelt, ich kann die Mickey-Maus-Stimmen im Kopfhörer vernehmen. Da nun alles passt, legt der Fluglehrer ein dickes Kissen auf seinen Sitz und schwingt sich elegant in den Schulterdecker.
Als nächstes geht es darum, den Motor in Gang zu bringen. Im Flugsimulator reicht es, dafür die Tastenkombination „Strg + E“ auf der Tastatur zu betätigen – auch wenn es unsportlich sein mag. In der Realität wird es ohne vorherige Einweisung kaum einem Flightsimmer gelingen, die Kiste zu starten. Selbst wenn jemand mal versucht hat, die Cessna im Simulator manuell zu starten, wird er hier nicht weiterkommen, denn die Realität ist eben doch anders.
Mr. B. diktiert die Startabfolge:
Hauptschalter Avionik: aus. (Hä? Wir wollten doch starten!)
Mixture: rich. (Yeah!)
Vergaservorwärmung: aus. (frisst sonst nur wertvolle PS)
Primer: 4x!
Was zur Hölle ist ein Primer?
Mr. B. holt zu einer längeren Erklärung aus: “Die Sache funktioniert folgendermaßen: wir haben ja vorhin beim Drainen eine kleine Menge Restbenzin aus dem Motor gelassen. Hatte die Rotax-Maschine der Remos nur 1,3l Hubraum, so ist selbst die kleinste Cessna mit einem üppigen 4l Boxermotor ausgestattet. 4l Hubraum bei vier Zylindern bedeutet, dass jeder einzelne Zylinder den Inhalt einer Cola-Flasche aufnehmen könnte.
Derartig voluminöse Brennkammern wollen erst einmal mit Sprit gefüttert werden, der Vergaser allein schafft das nicht. Für diesen Vorgang, der als Primen bezeichnet wird, gibt es einen kleinen Hebel ähnlich dem Gashebel, der unten links am Armaturenbrett sitzt. Er ist wie eine Medikamentendose gesichert. Sie müssen ihn zu sich ziehen, einen kleinen Moment warten, und ihn dann zurückschieben. Dadurch spritzt man viermal eine kleine Menge Benzin direkt in die Brennkammern. Dann hat der Motor ein Gemisch, welches sich beim Anlassen entzünden und dadurch starten kann.”
Ok. Verstanden. Weiter geht’s:
Gas: 50{5eb68abc682c3695e5075ae6818d61a223ac726b528b58b95f9748f29945bea8}
Brakes: Set! (Merke: die Cessna hat eine Fußspitzenbremse, aber darüber später mehr)
Master Switch: on (Na bitte!)
Beacon Light: on (Vorschrift)
Navigation Light: on
Propeller Area: Clear (Mr. B. öffnet das Seitenfenster und brüllt: „Propeller frei!“)
Ignition Switch: Start
Der magische Moment rückt näher, mein Herz klopft.
Ich nehme den winzigen Schlüssel, stecke ihn in das Schloss und drehe ihn vorsichtig nach rechts. Es fühlt sich ein wenig hakelig an und ich habe Angst, den Bart abzubrechen. Ich bewege ihn kurz zurück, dann mit einem kleinen Ruck nach rechts. Nach kurzem Rasseln brüllt der Motor mit der Begeisterung und dem tiefen Bass eines alten Amischlittens los.
Cooool! Ich habe kaum Zeit, erstaunt zu sein, es gibt ja soooo viel zu tun: Der Motor muss eine Weile bei rund 1,000 RPM warmlaufen, und zwar in etwa so lange, bis das Ölthermometer zuckt und genügend Öldruck vorhanden ist.
Mr. B. kennt die Checkliste auswendig:
Ammeter: check! (was immer das sein mag)
Avionics Power: on!
Radios: on!
Altimeter: set!
Ich muss das Höhenmeter an einem kleinen Drehrad auf 300ft Platzhöhe stellen, das tut es nämlich leider nicht von alleine.
Heading indicator: set!
Der Kurskreiselkompass muss mit Hilfe des Magnetkompasses im wahrsten Sinne des Wortes eingenordet werden. Ähnliches gilt für den künstlichen Horizont. Gute alte Technikwelt.
Transponder: standby! (Die Grafik erinnert an ein sehr altmodisches Radionavigationssystem von Becker aus den 90er Jahren.)
Magnete: check!
Wie bei der Remos testen wir die Magnete und die Vergaservorwärmung. Bei der Cessna sackt hierbei nur die Drehzahl ein wenig ab, der Motor läuft auch mit nur einem Zündkreis recht ruhig.
Ich entdecke eine Art Blechdose mit einer Skala oben rechts an der Windschutzscheibe: „Was ist das? Ein Thermometer?“, frage ich meinen Lehrer. Es ist tatsächlich ein Thermometer. Man kann es herausziehen und drehen, dann kommt eine Öffnung zum Vorschein, aus der frische Luft in den Innenraum strömt. Auf meiner Seite gibt es auch so eine Dose, nur ohne Thermometer. Ich liebe diese kleinen cleveren Detaillösungen.
Hallo Johannes.
Nachdem ich 2017 Dein Buch gelesen habe habe ich mich dazu entschlossen die PPL A Ausbildung anzugreifen.
Ich durchlief meine Ausbildung bei der Flugschule Jesenwang, mit 408 x 12 Metern ein guter Platz um fliegen zu lernen.
Heute bin ich begeisterter Hobbypilot und habe die letzten Jahre zwischen 30 und 50 Stunden im Cockpit verbracht, viele tolle Plätze erfolgen und Erfahrungen gesammelt.
Und natürlich unvergessliche Eindrücke und Erlebnisse.
Vielen Dank für Deine Inspiration,
Happy landings!
Hallo Marcus,
vielen Dank für Deine Mail! Es freut mich, dass mein Buch Dich zum Fliegen inspiriert hat.
Allzeit eine Handbreit Luft unterm Flügel,
Johannes