Wir rollen los!
Der Motor ist warm, wir rollen los. Bei diesem Flug starten wir in westlicher Richtung. Mein heimliches Üben am Simulator macht sich bezahlt: ich verwechsele nicht mehr das linke mit dem rechten Pedal.
Die Fußspitzenbremsen entpuppen sich als eine feine Sache. Generell ist die Ferse am Boden. Zum Bremsen tippt man mit den Zehen auf ein kleines Pedal oberhalb. Tippt man links, wird das linke Hauptrad gebremst, das Flugzeug dreht sich nach links, tippt man rechts, passiert das Gegenteil davon. Auf diese Weise kann die Cessna mit minimalem Wendekreis um 180° drehen. Tritt man auf beide Pedale, so werden beide Räder abgebremst und das Flugzeug kommt zum Stehen.
Die Fußspitzenbremse ist deutlich angenehmer als die Handbremse in der Remos, weil man das Flugzeug komplett mit den Füßen dirigieren kann und beide Hände frei hat. Deswegen hat die Cessna auch nur einen Gashebel – die Remos hatte noch einen für die linke Hand, weil man mit der rechten ja bremsen muss.
Ohne dass Mr. B. groß eingreifen müsste, rolle ich zur Startbahn. Die Cessna kommt mir dabei deutlich komfortabler vor als die Remos (oder sie haben zwischenzeitlich die Rollwege erneuert, aber eigentlich schauen sie nicht danach aus). An der Haltelinie bleiben wir stehen. Per Funk bekommen wir die Anweisung, auf die Landung einer Cessna zu warten. Stattdessen gleitet einer dieser kleinen gelben Tragschrauber vor unserer Nase herab. Mr. B. wird ungeduldig. Er bedeutet mir, die Bremsen loszulassen und bremst dann selbst im letzten Moment abrupt ab: eine Cessna kommt, wie vom Tower angekündigt, direkt vor uns herunter und startet gleich wieder durch. Hab ich’s nicht geahnt?
Die Mickey-Maus-Stimme im Kopfhörer gibt uns den Wind: „Cessna Delta-Alpha-India –Wind aus 290 mit 10kt!“
Ich soll bei 50 Knoten rotieren, bei 64 Knoten abheben, so der Plan. Ich drehe die Cessna auf die Piste. Aus dieser Perspektive kommt sie mir deutlich ebener vor als beim vorherigen Flug, bei dem wir aus der Gegenrichtung gestartet waren. Endlich darf ich Vollgas geben! Mit Nachdruck schiebe ich den Gashebel in Richtung Instrumentenbrett, die Alpha India zieht los. Ein wenig störrisch benimmt sie sich schon und will mal nach links, mal nach rechts. Ich muss mit den Pedalen gegenhalten, um sie auf der Mitte der Startbahn zu halten. Es gelingt mir nicht wirklich perfekt, aber das ist halb so schlimm. Die Kraftentfaltung der Cessna ist ganz anders als bei der Remos: war das Ultraleichtflugzeug auf der Piste unruhig wie ein übermotorisierter Kleinwagen, beschleunigt die Cessna wie an einem Gummiband, etwas behäbiger, aber mit Nachdruck.
Schneller als gedacht erreicht das kleine Flugzeug 50 Knoten. Ich ziehe das Steuerhorn vorsichtig zu mir zurück und beobachte den zitternden Tacho: 60 Knoten, die Nase hebt sich, 65 Knoten, wir heben ab und fliegen! Die ersten Meter Steigflug sind ein wenig ‚bumpy’. Das kleine Flugzeug hüpft regelrecht in die Höhe. Ich fühl mich ein wenig wie ein Känguru-Baby im Beutel seiner Mutter. Hops! Hops! Hops! Und im Gegensatz zum kleinen Känguru-Küken muss ich dieses hüpfende Vehikel auch noch steuern…
Mr. B. gibt mir die Anweisung, der Cessna 172 Skylane zu folgen, die eben vor uns durchgestartet ist. Unsere 152 ist tendenziell ein wenig zu schnell, ich muss den Gashebel ein Stück nach hinten ziehen. Wir steigen bis auf 1,200ft, der Tacho zeigt 75 Knoten an. Ich soll nun etwas Gas wegnehmen, damit die Geschwindigkeit nicht zu hoch wird. Der Aufstieg ist turbulent, wir werden durchgeschüttelt wie ein Martini-Wodka und meine inneren Organe tanzen Limbo. Sie gewöhnen sich aber schnell an diese Art der Fortbewegung. Den Instrumenten ergeht es nicht viel besser: das Variometer zeigt nach unten, der Höhenmesser steigt unverdrossen weiter. Einen Wettbewerb im Synchronschwimmen werden die beiden wohl nie gewinnen. Im Gegensatz zu meinem Magen müssten die das Fliegen doch eigentlich gewöhnt sein, oder? Na ja, lieber so herum als umgekehrt.
Auf 1,200ft Platzrundenhöhe richten wir die Cessna aus. Die Trimmung ist nicht elektrisch wie bei der Remos, stattdessen gibt es ein altmodisches Drehrad. Von der Pflicht des Steigens befreit, beschleunigt die Alpha India auf über 100 Knoten, eine Geschwindigkeit, die ich mit der Remos trotz auf dem Papier ähnlicher Leistungsdaten definitiv nicht erreicht hatte. Mein Blick schweift hektisch hin und her. Ich versuche mit eher mäßigem Erfolg, die Anzeigen der Instrumente mit dem Horizont draußen und dem Gefühl in meinem Magen in Einklang zu bringen.
Kurvenflug
Die erste Lektion, die ein Pilot lernt, ist der Kurvenflug. “Wir üben erst einmal koordinierte 20° Kurven”, verkündet mein Lehrer. “Drehen Sie das Querruder nach links und treten Sie danach das Seitenruder, bis die Kugel des Kurskoordinators in der Mitte ist.” Ich versuche es und drehe vorsichtig das Steuer ein wenig nach links. Die Cessna beginnt, sich sanft zur Seite zu neigen. Sobald die gewünschte Kurvenlage erreicht ist, muss ich das Steuer wieder gerade richten, anderenfalls wird die Schräglage immer steiler. Ein Flugzeug ist kein Auto, sondern funktioniert irgendwie – anders. Bei dem ganzen Prozedere ist zusätzlich darauf zu achten, dass die Höhe ungefähr gleich bleibt. Wenn man das eine Minute lang durchhält, fliegt man einen Vollkreis und landet idealerweise genau dort, wo man die Kurve angefangen hat. Um die Kurve zu beenden und wieder geradeaus zu fliegen, muss man das Steuer rechts herum drehen, bis der Horizont wieder gerade ist.
Eigentlich geht das alles unerwartet einfach und intuitiv vonstatten. Die gleiche Übung rechts herum ist kein Problem, nur das Halten der Höhe muss ich üben, das ist leider nicht ganz so einfach und erfordert Konzentration. Wir stellen fest, dass Magnetkompass und Kurskreisel nicht wirklich synchron sind, ich muss nachjustieren. Auf das letzte Grad an Genauigkeit kommt es aber offenbar nicht an, +/- 5° sind ok.
Hallo Johannes.
Nachdem ich 2017 Dein Buch gelesen habe habe ich mich dazu entschlossen die PPL A Ausbildung anzugreifen.
Ich durchlief meine Ausbildung bei der Flugschule Jesenwang, mit 408 x 12 Metern ein guter Platz um fliegen zu lernen.
Heute bin ich begeisterter Hobbypilot und habe die letzten Jahre zwischen 30 und 50 Stunden im Cockpit verbracht, viele tolle Plätze erfolgen und Erfahrungen gesammelt.
Und natürlich unvergessliche Eindrücke und Erlebnisse.
Vielen Dank für Deine Inspiration,
Happy landings!
Hallo Marcus,
vielen Dank für Deine Mail! Es freut mich, dass mein Buch Dich zum Fliegen inspiriert hat.
Allzeit eine Handbreit Luft unterm Flügel,
Johannes