Steilkurve!
Durch den Kopfhörer höre ich eine neue Anweisung vom Herrn rechts neben mir: „Machen Sie sich keine Sorgen, folgen Sie meinen Bewegungen, ich zeige Ihnen nun eine 60° Kurve!“ Jetzt schafft es Mr. B., mich wirklich zu beeindrucken: in Top-Gun Manier legt er die altehrwürdige Cessna im 60° Winkel um die Kurve, das Flugzeug kippt zur Seite weg und ich habe das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren.
Erster Gedanke: Scheiße, wir stürzen ab!
Zweiter Gedanke: Geil!
Dritter Gedanke: Wo kann ich einen Kunstflugkurs belegen?
2G lasten auf meinem Körper und entfalten ihre Wirkung. Ich habe nach meinem ersten Schrecken ein dickes, fettes Grinsen im Gesicht: es fühlt sich ähnlich genial an, wie wenn man mit einem Porsche mit Vollgas um eine runde Autobahnauffahrt kurvt. Eine solche Beweglichkeit hätte ich diesem Oldtimer der Lüfte gar nicht zugetraut!
Zurück zum Flugplatz
„Und, wissen Sie wo wir sind?“, fragt mein Lehrer.
Welch eine gemeine Frage! Nach all diesen Kurvereien habe ich natürlich nicht den Hauch einer Ahnung, wo wir sind. Mr. B. klärt mich auf: „Da drüben liegt Sahlkamp!“ Ich frage mich: „Wo zur Hölle liegt Sahlkamp?“ Nun ja, da unten eben. Und wo auch immer es liegen mag, es gibt dort wohl einen VOR Sender, und mein Lehrer zeigt mir nun, was man mit einem im Flugzeug verbauten VOR Empfänger anstellen kann. Zuerst stellt er im Nav-Panel per Drehrad die Frequenz des Senders ein. Wir fliegen auf das VOR zu. Ich beobachte, wie die Nadel in unmittelbarer Nähe die Orientierung verliert und der Status sich von „TO“ auf „FROM“ ändert, sobald wir das VOR überquert haben.
„Genau 90° von hier“, erklärt mir der Fluglehrer, „liegt Salzgitter.“ Wenn wir den VOR Empfänger auf 90° stellen, brauchen wir nur noch dem Kursanzeiger zu folgen und kommen ans Ziel. Solch eine genaue Ansage ist wahrlich eine Wohltat im Reich der Macarena tanzenden Anzeigen.
Mr. B.: „Noch ein, zwei Kurven, dann sind wir am Flugplatz.“
Flugplatz? Wo ist der Flugplatz? Ich sehe mich suchend um, kann ihn aber nicht erkennen. Oder? Doch – da hinten ist er, auf der rechten Seite.
Ich muss die Geschwindigkeit reduzieren, damit wir in den weißen Bereich kommen, um die Landeklappen ausfahren zu können, ohne dass uns die Dinger dabei um die Ohren fliegen. Das bedeutet: Gas wegnehmen, die Vergaservorwärmung einschalten und die Nase oben lassen. Gar nicht so einfach. In gewisser Weise benimmt sich unser fliegendes Känguru so ähnlich wie ein Reitpferd, welches merkt, dass es nach Hause in den Stall geht: es fängt an, es verdammt eilig zu haben! Trotzdem gelingt es mir irgendwie, die Cessna auf 70 Knoten abzubremsen.
Ich darf jetzt die Klappen ausfahren – das geht in der Cessna elektrisch und damit sehr komfortabel. Der für die Bedienung vorgesehene kleine abgestufte Hebel sieht fast genauso aus wie die Miniaturausgabe der Automatikkulisse von Mom’s ehemaligem Audi 80. Dann ist die Piste vor uns und Mr. B. übernimmt die Regie. Für meinen Geschmack sind wir viel zu weit rechts von der Piste, aber je näher wir kommen, desto besser die Ausrichtung. Langsam schweben wir über der Landebahn hinab und setzen kaum merklich auf den Asphalt auf. Es ist wohl die sanfteste Landung, die ich je erlebt habe. Ist das Bugrad überhaupt schon unten? Offenbar ja! Die Erde hat uns wieder. Ich bremse mit den Fußspitzen ab. Unter Mr. B.’s Anleitung wende ich die Maschine und rolle langsam Richtung Hangar. Das Rollen geht schon recht gut, der Fluglehrer muss nicht mehr eingreifen. Wir stellen den Flieger ab, Schritt für Schritt. Erst stelle ich das Gemisch ab, dann die Zündung, ziehe den Schlüssel heraus und lege den Hauptschalter für die Avionik um.
Auf einmal herrscht im lauten Cockpit Stille. Beim Aussteigen merke ich, dass ich vollkommen durchgeschwitzt bin. Wir sind aber noch nicht fertig, das Flugzeug muss wieder in den Hangar geschoben werden. Das geht jedoch erfreulicherweise sehr fix, wir müssen nur darauf achten, keine der anderen Maschinen zu berühren.
Ich brauche eine Weile, um das Erlebnis sacken zu lassen. Und ich muss mich für eine Ausbildung entscheiden: den SPL fürs Ultraleichtfliegen oder den LAPL für die großen Maschinen der Echo-Klasse.
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Dieser Bericht ist ein Auszug aus meinem Buch
„Alpha Flying India – Vom Flugsimulator ins reale Cockpit!“
276 Seiten Hardcover – €19.95
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Hallo Johannes.
Nachdem ich 2017 Dein Buch gelesen habe habe ich mich dazu entschlossen die PPL A Ausbildung anzugreifen.
Ich durchlief meine Ausbildung bei der Flugschule Jesenwang, mit 408 x 12 Metern ein guter Platz um fliegen zu lernen.
Heute bin ich begeisterter Hobbypilot und habe die letzten Jahre zwischen 30 und 50 Stunden im Cockpit verbracht, viele tolle Plätze erfolgen und Erfahrungen gesammelt.
Und natürlich unvergessliche Eindrücke und Erlebnisse.
Vielen Dank für Deine Inspiration,
Happy landings!
Hallo Marcus,
vielen Dank für Deine Mail! Es freut mich, dass mein Buch Dich zum Fliegen inspiriert hat.
Allzeit eine Handbreit Luft unterm Flügel,
Johannes